39. Gig – Der eigentliche Christopher Street Day
Seit letztem Jahr gibt es zwei Pride-Demos in Nürnberg – und nur noch eine bezieht sich auf den Stonewall-Aufstand am Juni 1969, bei dem sich die queere Szene New Yorks gegen Polizeiwillkür auflehnte. Die große Demo hat sich jetzt von Christopher Street Day in „Nürnberg Pride“ umbenannt, der CSU-Bürgermeister und Konzerne Sponsoren nehmen mehr Platz ein als kritische Stimmen aus der Community, und das Poster der Demo besteht zur Hälfte aus Firmenlogos. Also Spaß macht sie immer noch, aber es ist eben keine politische Veranstaltung mehr.
Der „unkommerzielle Christopher Street Day“ kommt im Gegensatz zu der großen Demo auch gut ohne Staat & Kapital aus. Schön, dass mal wieder jemand beweist, dass man eine Pride auch ohne Sponsoren organisieren kann – und dass das Ziel von Pride nicht ist, dass wir 30 Jahre nach der Abschaffung des §175 StGB endlich nicht mehr anecken.
Einige Dinge musste die CSD-Demo-Orga vorher durchklagen, etwa dass wir so viel Musik machen dürfen wie wir wollen – es gab in Nürnberg bei Demos bisher routinemäßig die Auflage, dass sich Reden und Musik die Waage halten müssen, angeblich sei Musik unpolitisch. Endlich wurde das jetzt mal weggeklagt – wie wir unseren Protest ausdrücken ist unsere eigene Sache. Die Musik die gespielt wurde war ja auch hochpolitisch – aber das hat gefälligst nicht die Versammlungsbehörde zu beurteilen, sondern das ist unsere Entscheidung.
Passend zum Transpi „queere Community braucht keinen König“ (so heißt der Nürnberger CSU-Bürgermeister, der bei der „Nürnberg Pride“ Reden halten darf) ging es der Demo darum, die Burg zu erobern. In den Burghof hat sie es leider nicht geschafft, nur mit Klagen kann man eben nicht alles erreichen. Aber vom Jamnitzer Platz aus bei brütender Hitze den Burgberg hochzulaufen ist auch so eine Leistung, da wären die Burgmauern dann auch zu viel gewesen.
Phant und ich haben da lieber die Straßenbahn genommen, auch weil wir zwischendurch auch noch unsere Instrumente abholen mussten 😅
Der CSD war sehr inklusiv – es wurde z.B. explizit gesagt, wem das Laufen zu viel ist kann die Straßenbahn oder eine andere Abkürzung nehmen. Aber auch in anderen Bereichen wurde auf alle geachtet: es gab schon vorher ne Menge Infos zu Rollstuhl-Barrierefreiheit, Corona-Maßnahmen, Trinkwasser & Toiletten auf der Demo-Route, und oben-ohne-Policy:
Das war ganz cool – ich habe mit einer befreundeten Person gesprochen, die meinte dass sie sich unter so Umständen noch am ehesten vorstellen könnte das T-Shirt auszuziehen – wenn sowohl oben ohne sein normalisiert ist, als auch Maske tragen.
Was leider nicht so gut geklappt hat waren die Inhaltswarnungen. Es bringt leider nicht viel, vor Reden anzukündigen, wenn es um Suizid oder Knast geht, wenn man sich als Zuhörer*in dem ganzen nicht wirklich entziehen kann. Bei einer Rede ging ich letztendlich drei Blocks weit in die Innenstadt hinein, damit ich es nicht hören musste. Andererseits – es ist nun mal eine Demo, und man will ja auch Leute erreichen die glauben, Queerfeindlichkeit und Faschismus würden sie nicht betreffen.
Vor uns haben Wutholz und die Arschlöcherinnen gespielt – mit beiden arbeitet Phant auch zusammen gerade, mit den Arschlöcherinnen organisiert es im Herbst ein Konzert (zusammen mit das Günther, mit denen wir in Hannover gespielt haben!), und für Wutholz nimmt es gerade deren erstes Album auf. In Wutholz‘ Liedern geht es sehr viel um Stürme – sehr passend war, dass es genau als Wutholz zu spielen begann, auch anfing zu gewittern. Das war eine tolle Athmosphäre.
Ansonsten war ich den Großteil der Zeit eher mies gelaunt, wie fast immer vor Konzerten. Der Soundcheck war nicht so gut gelaufen weil die mobile Demo-Anlage keine Monitor-Box hatte, und der Technik-Mensch musste weg bevor wir dran waren mit spielen; zum Glück konnte eine Freundin von mir einspringen, die zwar vorher noch nie abgemischt hatte, aber sich trotzdem prima schlug <3
Als wir dran kamen, mussten wir aber eh improvisieren – auf dem Platz vor uns gab es nämlich keinerlei Schatten und dementsprechend auch keine Menschen mehr, die chillten alle hinter uns auf der Wiese. Also drehten wir kurzerhand die Boxen um, und unser Equipment, sodass wir plötzlich hangaufwärts statt -abwärts spielten. Und dabei konnten wir eine Box so platzieren, dass wir uns endlich hören konnten! So macht Musik schon immer deutlich mehr Spaß – wenn man hört was man tut, und eine Chance hat den Takt zu treffen.
So machte der Auftritt doch noch mega Spaß 🙂 aber am Ende war ich völlig erledigt. Der Tag war mit Hitze, Reizüberflutung, und allem anderen einfach super anstrengend.