29. Gig – Weil wir ja so reflektiert und feministisch sind, jaja
…wurden wir eingeladen, auf der Abschlussveranstaltung von “reflektiert & feministisch?!?” zu spielen, einer Workshop-Reihe zu Beziehungsgewalt in linken Kontexten.
Die Abschlussveranstaltung war quasi eine Party mit verschiedenen Musik-Acts, die alle entweder Frauen, Lesben, Intersex, Nichtbinär, Trans und/oder Agender (FLINTA) waren. Außer uns waren vor allem verschiedene DJanes am Start und sorgten für tanzbare Athmosphäre.
Wir wurden großartig von einer Freundin abgemischt, die sich an dem Tag zum ersten Mal um die Technik gekümmert hat, das lief richtig gut. Die Party fand im Projekt 31 statt, wo wir ja schon zwei Mal aufgetreten sind.
Wir hatten noch nie so viele unterschiedliche Instrumente dabei wie bei dem Auftritt – E-Gitarre, Bass, Mundharmonika, Kaossi Pro, Mininova, und Laptop kommen zwar alle bei Songs von uns vor, aber seit wir Bass und Mundharmonika mitnehmen, haben wir eigentlich immer das Mininova weggelassen. Weil das Projekt 31 aber nicht so weit entfernt ist, war das voll machbar das alles zu transportieren.
Abenteuerlich war eher, dass Phant am Tag davor noch einen Verstärker auftreiben musste. Der Gitarren-Verstärker im Projekt 31 ging nämlich komischerweise nicht an. Aber seit Bifi im Berghain sich leider aufgelöst haben, weil der Drummer weggezogen ist, stand ein ungenutzter Verstärker noch im Bifi-Proberaum im Z-Bau rum – und den konnten wir netterweise ausleihen. Den Verstärker mit der U-Bahn zum Projekt 31 zu schleppen war wohl eine ziemliche Odyssee, auch weil Phant nur sehr ungern mit Öffis fährt, wegen den Scheiß-Kontrollettis.
Was mir sehr viel Spaß gemacht hat zu spielen war _miley – das ist ein Song den Leute vor allem mögen, wenn sie einen Bezug zu Punk und Feminismus haben, eins von beidem reicht eigentlich nicht^^ aber das Projekt 31 ist da einfach der perfekte Ort dafür. Und dass ich es verkackt habe, meinen Text richtig abzulesen, war auch voll in Ordnung 😀
Bei dem Konzert habe ich mich dann auch getraut, _womanhood zu spielen, was ich mich sonst selten traue. Ich habe grundsätzlich oft das Gefühl, mir Weiblichkeit anzueignen, ohne den ganzen anstrengenden Sexismus abzukriegen; darum geht es ja auch in dem Lied, um die Frage ab wann man Weiblichkeit “verdient hat”. Aber wenn wir schon extra eingeladen werden, bei einem Konzert zu spielen, wo nur FLINTA-Acts auftreten sollen, dann weiß ich dass das hier nicht zur Debatte steht.
Aber ganz wohl fühle ich mich mit dem FLINTA-Begriff an der Stelle trotzdem nicht. Ich kenne natürlich nicht alle Leute, die da aufgetreten sind, aber zum Beispiel glaube ich nicht dass Menschen dabei waren, die inter sind. Warum stehen die dann in dem Fall mit dabei? Wollen die das überhaupt?
Viel zu oft fühlt sich das FLINTA-Label an, als hätte frau das binäre “Frauen”-Label einfach ausgedehnt, als frau festgellt hat, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Eine andere Übersetzung für FLINTA ist ja “nicht cis-Männer” – es geht im Grunde um die Hoffnung, sichere Räume aufzubauen, in denen nicht rumgemackert wird, und FLINTA-Personen die keine Frauen sind, wird quasi ein Vertrauensvorschuss gegeben, dass sie keinen Sexismus reproduzieren, wenn sie sich darin aufhalten.
Aber egal wo man eine klare Grenze zieht, es wird immer Menschen geben, die mit darunter fallen, aber nicht dazugehören wollen (oder sollten), wie zum Beispiel einige trans Männer die das Gefühl haben, ihnen wird durch ihre Zugehörigkeit zu einem quasi-Frauen-Raum ihre Männlichkeit aberkannt. Oder trans Männer, die genauso mackrig Sexismus reproduzieren wie cis Männer, etwa weil sie ihr ganzes Leben lang ein gutes Passing hatten und viele Formen von Sexismus nie selbst abgekriegt haben.
Oder es gibt Menschen, bei denen es schwer ist zu sagen, ob sie hineinpassen oder nicht; wie zum Beispiel Menschen die gerade ihre Männlichkeit hinterfragen und sich unsicher sind, ob sie “nichtbinär genug” sind, um in einem FLINTA-Space Platz zu haben (das ging mir lange so). Bei FrauenLesben-Spaces waren sich viele trans Frauen unsicher, ob sie darin einen Platz haben, deswegen wurde das T ja hinzugefügt. Durch die Erweiterung zu FLINTA verschiebt sich die Grauzone nur weiter. Das Problem, das kein Gatekeeping und kein Label je dem einzelnen, konkreten Menschen gerecht werden kann, bleibt.
Und gleichzeitig ist es ja bei weitem nicht gesagt, dass es in einem FLINTA-Space keine Transfeindlichkeit gibt; scheiße, ich kann ja nicht mal bei mir selbst davon ausgehen, frei von Transfeindlichkeit zu sein, die ich internalisiert habe und auch hin und wieder gegen andere richte, zum Beispiel in Form von unrealistischen Erwartungen, Neid/Missgunst.
Betroffenheit von Diskriminierung hält Menschen ja gerade nicht davon ab, sie selbst zu reproduzieren – im Gegenteil. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: toxische Schönheitserwartungen an Frauen werden vor allem von Frauen reproduziert; schwule Spießigkeit ist eine Form von unterwürfiger Anpassung, die manche Schwule auch von anderen Queers erwarten; und im Bereich Klassismus wird der individualisierte Leistungsdruck auch viel von armen Menschen erzeugt, die verzweifelt innerhalb des Systems aufsteigen wollen, anstatt gegenseitig für ihre Bedürfnisse zu sorgen, durch solidarische Kollektivität.
Doch auch wenn FLINTA-Spaces keine perfekte Lösung für alles sind – an diesem Tag wurde schon ein Stück Befreiung erkämpft. Einige Menschen haben sich an diesem Tag Dinge getraut, die sie sich sonst nicht trauen, mich eingeschlossen. Ich hoffe, wir können diesen Funken der Befreiung aus diesen slightly safer Spaces heraustragen, auch wenn wir manchmal… unsicher sind.